Zyklusorientierte Ernährung
Der weibliche Menstruationszyklus ist ein komplexer hormoneller Prozess, der Stoffwechsel, Energiehaushalt, Immunsystem und psychisches Wohlbefinden beeinflusst. Eine phasengerechte Anpassung der Ernährung kann helfen, hormonelle Balance zu fördern, prämenstruelle Beschwerden zu lindern und zyklusbedingte Schwankungen im Energie- und Nährstoffbedarf auszugleichen.
Physiologische Grundlagen des Menstruationszyklus und Nährstoffbedarf
Der Zyklus wird in vier Phasen unterteilt:
Menstruation (Tag 1–5): Abstoßung der Gebärmutterschleimhaut, Absinken von Östrogen und Progesteron, Beginn eines neuen Zyklus.
Follikelphase (Tag 1–13): Beginnend mit der Menstruation, Anstieg von FSH und Östrogen, Aufbau des Endometriums, Reifung der Follikel.
Ovulation (ca. Tag 14): LH-Peak löst den Eisprung aus, Östrogenspiegel erreicht kurzzeitig ein Maximum.
Lutealphase (Tag 15–28): Progesterondominanz zur Vorbereitung der Gebärmutter auf eine potenzielle Schwangerschaft, leichter Anstieg des Ruheenergieverbrauchs um ca. 2,5–11,5 % (entspricht 100–300 kcal pro Tag).
Diese hormonellen Schwankungen beeinflussen die Insulinsensitivität, den Blutzuckerstoffwechsel, das Hungergefühl sowie den Bedarf an Mikronährstoffen und bilden die Grundlage für eine zyklusangepasste Ernährung.
Ernährungsempfehlungen für die vier Zyklusphasen
Menstruation
Ziel ist die Unterstützung des Körpers während des Blutverlustes, die Versorgung mit eisenreichen Lebensmitteln sowie die Linderung von Entzündungsprozessen und Schmerzen.
Empfohlen werden:
Eisenreiche pflanzliche Lebensmittel (Linsen, Tofu, Spinat) in Kombination mit Vitamin-C-Quellen zur besseren Resorption.
Entzündungshemmende Lebensmittel wie Beeren, Blattgemüse und Omega-3-reiche Samen (Leinsamen, Chiasamen).
Ausreichende Flüssigkeitszufuhr zur Unterstützung des Kreislaufs.
Follikelphase
Ziel ist die Unterstützung des Östrogenaufbaus und der Follikelreifung sowie die Förderung eines stabilen Blutzuckerspiegels.
Empfohlen werden:
Ballaststoffreiche Ernährung zur Unterstützung der Darmmikrobiota und der Östrogenmetabolisierung.
Phytoöstrogenreiche Lebensmittel (Leinsamen, Hülsenfrüchte, Sojaprodukte).
B-Vitamine und Magnesium zur Unterstützung der Energieproduktion.
Ovulation
Ziel ist die Reduktion oxidativen Stresses und die Unterstützung der Leber bei der Östrogenmetabolisierung.
Empfohlen werden:
Polyphenolreiche Lebensmittel (Beeren, Granatapfel, dunkelgrünes Gemüse).
Omega-3-reiche Lebensmittel zur Entzündungsmodulation.
Ausreichende Flüssigkeitszufuhr und ballaststoffreiche Kost.
Lutealphase
Ziel ist die Unterstützung der Progesteronproduktion, die Stabilisierung des Blutzuckerspiegels und die Reduktion prämenstrueller Beschwerden.
Empfohlen werden:
Komplexe Kohlenhydrate (Hafer, Quinoa, Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte).
Magnesiumreiche Lebensmittel (Kürbiskerne, Mandeln).
Calcium und Vitamin B6 zur Linderung von PMS-Symptomen.
Ausreichende Flüssigkeitszufuhr zur Reduktion von Wassereinlagerungen.
Seed Cycling als ergänzende Maßnahme
Seed Cycling empfiehlt spezifische Samen in den Zyklusphasen:
Follikelphase (inkl. Menstruation): Leinsamen und Kürbiskerne (Lignane, Zink) zur Unterstützung der Östrogenbalance.
Lutealphase: Sesam- und Sonnenblumenkerne (Vitamin E, Selen) zur Unterstützung der Progesteronproduktion.
Während erste Studien, insbesondere bei Frauen mit PCOS, positive Effekte auf hormonelle Marker zeigen, ist die Datenlage bisher begrenzt, sodass Seed Cycling als ergänzende, potenziell hilfreiche Maßnahme innerhalb eines ausgewogenen Ernährungskonzeptes betrachtet werden sollte.
Vegane Beispiel-Tagespläne für die Follikel- und Lutealphase
Beispieltag Follikelphase
Frühstück: Overnight Oats mit Haferflocken, Chiasamen, 1 EL geschroteten Leinsamen, Heidelbeeren und Mandelmus.
Snack: Handvoll Walnüsse und eine Birne.
Mittagessen: Quinoa-Bowl mit Spinat, Brokkoli, Karotten, Kichererbsen und Tahini-Zitronen-Dressing.
Snack: Hummus mit Paprika- und Gurkensticks.
Abendessen: Linsencurry mit Vollkornreis und frischen Kräutern.
Optional: Ingwer-Kurkuma-Tee.
Beispieltag Lutealphase
Frühstück: Haferporridge mit 1 EL Sesam, 1 EL Sonnenblumenkernen, Apfelscheiben, Zimt und Mandeln.
Snack: Banane mit Mandelmus.
Mittagessen: Süßkartoffel-Bowl mit schwarzen Bohnen, Avocado, Spinat und Sesam-Tahini-Dressing.
Snack: Energy Balls aus Haferflocken, Datteln, Kakaopulver und Sonnenblumenkernen.
Abendessen: Gemüsepfanne mit Brokkoli, Zucchini, Paprika und Räuchertofu, serviert mit Quinoa.
Optional: Frauenmantel- oder Melissentee am Abend.
Fazit
Zyklusorientierte Ernährung bietet einen wissenschaftlich begründeten Rahmen zur Unterstützung hormoneller Balance und kann prämenstruelle Beschwerden mindern, die Energieverfügbarkeit stabilisieren und die Körperwahrnehmung stärken. Die Integration von Seed Cycling kann diesen Ansatz ergänzen, sollte jedoch im Rahmen einer insgesamt nährstoffreichen, pflanzenbasierten Ernährung gesehen werden.
Bei ausgeprägten Beschwerden oder Verdacht auf hormonelle Dysbalancen wie PCOS oder Schilddrüsenfunktionsstörungen sollte eine therapeutische Abklärung erfolgen z.B. in Form einer Ernährungsberatung, da sich die empfohlenen Lebensmittel etwas unterscheiden.
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